Samstag, 1. Januar 2011

INVESTIEREN ist nicht RESTE-Verwertung.

Vom Sparen, vom Investieren und vom Verteilen

Die Schulökonomie lehrt: Was nicht konsumiert wird, wird gespart, und was gespart wird, wird investiert.
S = I = Y - C.
So einfach soll das sein? Investitionen als Verwertung des Übriggebliebenem. Und auf dieser Resteverwertung baut der ganze technologische Vorsprung  auf, den die Industrieländer vorzuweisen haben??

Die vom neoklassischen Gleichgewichtsgeist getragene Vorstellung der klassischen Schulökonomie beschreibt  eine  stationäre Wirtschaft, die sich immer nur am gleichen Niveau in einem Kreislauf reproduziert. In dieser werden fertige  gegen fertige Produkte mit Hilfe des Geldes getauscht werden. Nur dazu braucht es hier Geld: Zum Tausch fertiger Produkte untereinander.  Die Einkommen, die dabei - unhinterfragt – entstehen, werden dann in  Lohneinkommen und Kapitaleinkommen aufgeteilt. Und hier entsteht nun das politische Bemühen, auf diese Verteilung Einfluss zu nehmen. Diese aber hängt in großem Ausmaß von der politische Stärke der Gruppen ab, in denen sich Arbeiter und Kapitalisten organisieren.

Diese Überlegungen weisen den Mangel auf, dass es fertige Produkte braucht, die getauscht werden können. Wann und wie diese Fertigung allerdings erfolgt, dazu gibt es in dieser Theorie keine  Antwort.

In der Realität geht es  also zunächst  um die Logistik einer  hochproduktiven und hocharbeitsteiligen  Wirtschaft, wie wir sie kennen, eine die sich zwischen der Bereitstellung von Rohstoffen – etwa Eisenerz – und einem augenscheinlich  ganz einfachen Konsumprodukt – etwa einer Semmel – aufspannt.  Diese hierarchisch strukturierte Realwirtschaftist  ist nicht zuletzt davon bestimmt, dass diese Prozesse   in einer Gesellschaft mit privatem Eigentum  ablaufen.  Um überhaupt etwas fertigen zu können, braucht es ja immer  den Zugriff auf fremdes Eigentum. Wird mit diesem Zugriff nicht zugleich eine Gegengabe erstattet, so entstehen Schulden.  Wo es aber Schulden gibt, gibt es auch das Bemühen, davon wieder loszukommen. Das logistische Zusammenspiel von Verschuldung und Entschuldung läuft dabei über das Geld. Geld dient als Tilgungsmittel von Schulden, die aber schon im vormonetären Bereich entstanden sind – oder sein können.
Die Möglichkeit des Zugriffs auf fremdes Eigentum hat deshalb auch die Voraussetzung, dass am Ende der ganzen Produktionsvorgänge etwas entsteht, womit die vorangegangenen, zum Endprodukt zugehörigen Schulden getilgt werden.

Solche Schulden entstehen nicht zuletzt auch durch den Zugriff auf Lohnarbeit. Und auch diese Schuld wird mit Geld getilgt: Mit diesem Lohngeld wiederum  – den unterschiedlichen Arbeitseinkommen – wird  dann auf die am Ende hervorgehenden Konsum-Produkte zugegriffen. Und zwar mit den Arbeitseinkommen, die auf  jeder  Hierarchiestufe entstehen.  Damit kann selbst der Lohnarbeiter in einer ganz konsumfernen Produktion – einem Stahlwerk etwa – auf  heute fertige  Konsumgüter – etwa die Semmel des Bäckers - zugreifen, obwohl sein eigenes heutiges Erzeugnis erst irgendwann später in irgend ein Konsumprodukt eingeht.

Es geht also zuerst einmal um Einkommensentstehung und nicht um Einkommensverteilung. Und damit um eine - von Periode zu Periode immer weiter steigende - Verschuldungsbereitschaft vorwiegend der Unternehmen, angetrieben vom allseitig gleichen Bemühen, aus Geld mehr Geld zu machen. Geld als manifester Inbegriff von Vermögen. "Money makes the world go round".

Lohneinkommen entstehen ja erst aus dieser Vorfinanzierung in jeder neuen Periode - und nicht aus der Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Nicht erst, sondern überhaupt.  Ohne *neue* Lohneinkommen in der laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden. Das Geld fließt somit nicht vorwärts, sondern zurück zur Tilgung alter Schulden. Was vorwärts fließt, sind die immer weiter steigenden Schulden, wobei die alten Schuldner durch neue Schuldner abgelöst werden (müssen).

Von der Höhe der Verschuldung in der laufenden Periode hängt ab, ob in der Vorperiode ein makroökonomischer Überschuss, eine Null, oder ein Verlust als Kapitaleinkommen erwirtschaftet wurde.
Wobei  Lohneinkommen nicht nur bei der Konsumgüterfertigung entstehen, sondern dieser zeitlich vorgelagert bei der Fertigung von Investitionsgütern. All diese Lohneinkommen halten dann nach Konsumgütern Nachfrage. Diese wird also durch Kreditaufnahmen für Investitionen vergrößert. Diese Einsicht veranlasste Joan Robinson zur Feststellung: „Der Überschuss der Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnsumme ist gleich der Lohnsumme im Investitionssektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf der Konsumgütern hindert die Arbeiter daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum teilzuhaben.“ (J. R., Über Keynes hinaus, 1967, S. 99).
Um das richtig zu interpretieren, sollten diese Aussagen unbedingt unter Beachtung der oben beschriebenen zeitlichen Abfolge gelesen werden.

Dieser Prozess ermöglicht nun aber auch ein *pro-aktives* Sparen, bei den von vorne herein ein gesamtgesellschaftliches Sparen erfolgt bzw. zugegebenermaßen hinterrücks zum Vorteil aller auferlegt wird.  Hier werden also Einzelne gleich vom Anfang an zu einer Teilhabe am bereits vorhandenen Sozialprodukt mit eingeladen, die ihre Arbeit und Können nicht in die Reproduktion des Ist-Zustandes einzubringen,sondern in den technischen Fortschritt. Ein Fortschritt, der in Zukunft ein ungleich größeres Produkt bei allgemeiner Verringerung der hierfür benötigten  Anstrengung hervorzubringen hilft. Wir reden hier also vom materiellen Gewinn durch das mit Trick "erzwungene" Sparen durch ein Teilen des materiellen Produktes zwischen den Arbeitern in der Konsumgüterzeugung und der Investitionsgüter-Erzeugung.
Dieses pro-aktive Sparen aber unterscheidet sich nun deutlich von dem *passiven* Sparen, von dem die Schulwissenschaft ausgeht. Hier wird nicht von vorne herein gespart, sondern darauf gewartet, was vom vorhandenem Sozialprodukt übrig bleibt, um dann erst investiert zu werden.  und erlaubt keinen gezielten technischen – und damit auch sozialen - Fortschritt. Dass dieser Fortschritt möglich wurde, ist nicht zuletzt dem Trick zu verdanken, dass eine gesamtgesellschaftliche basisdemokratische Abstimmung über das Ausmaß des Sparens – und damit Investierens – umgangen wurde, wenngleich es all diese stören wird, die einer möglichst breiten Verteilung  auf alle das Wort reden.

Wie Robinson nun aber auch festhält, gilt dieser obige Wirkungsweise auch für eine Wirtschaft, in der alles gemeinschaftliches Eigentum ist. Dann aber ist zu fragen, ob und wie bei gemeinschaftlicher Verfügungsgewalt über dieses Eigentum ein gezieltes Investieren möglich ist. Oder durch langwierige zeitaufwendige Abstimmungen aller Eigentümer stark verzögert bis verhindert wird.  Ob deshalb  diese Verfügungs- und Entscheidungsgewalt dann doch auf einige Wenige – einem Zentralkomitee – beschränkt werden muss, die dann auch über das ganze Produkt der Gemeinschaft und dessen Verteilung verfügt. Womit zwar theoretisch eine Gleichverteilung auf alle möglich erscheint, praktisch aber bislang das Gegenteil belegt wurde. Und des Weiterem:  Um bei dieser Zentralverfügung die Laune der Gemeinschaft zu erhalten, wird vorwiegend auf die Herstellung von Konsumgüter Bedacht genommen, die Investitionsbereitschaft also eingeschränkt, was aber letztlich zu bei einer weitgehenden Gleichverteilung des Sozialproduktes zu einer Verflachung des individuellen Arbeitseinsatzes führt. Und dann weiter zu einem geringen Produktivitätsfortschritt und zu einer niedrigen Produktinnovation.  Die DDR stellt mit dem „Trabant“ das reale Beispiel.  Und damit zu einem Zurückbleiben des – so genannten - materiellen Wohlstandes.

Für den allgemeinen Wohlstand maßgebende Frage ist daher nicht allein, wie gerecht oder ungerecht das Sozialprodukt verteilt wird, sondern auch, was an Sozialprodukt verteilt werden kann. Um es salopp zu formulieren:  Eine höchst ungleiche Verteilung des Sozialproduktes in einem reichen Industrieland kann dem untersten sozialen Segment mehr Wohlstand bringen als eine gerechte Gleichverteilung in einem armen industrieschwachen Land. Es geht langfristig auch – und nicht zuletzt – um die Frage, was an (sinnvollen) Realinvestitionen getätigt wird. Womit der Reichtum an Betriebsvermögen real steigt, aber der Reichtum in Geld nur solange, als die einen Reichen den anderen Reichen Betriebsvermögen am Vermögensmarkt mit Geld abkaufen. Bei einer Gleichverteilung dieser Betriebsvermögen auf alle aber gibt es diesen Markt nicht mehr, und damit auch nicht die monetäre Bewertung. Jetzt drückt sich der „Reichtum der Nation“ (A. Smith) allein in den hervorgebrachten Gütern aus.

Es geht also – und nicht zuletzt - um die fortwährende Akkumulation von Produktionsvermögen, ohne die das Niveau der verfügbaren Konsumgüter weit unter dem heutigen liegen würde. Wobei die ökologische Dimension dieses Prozesses nicht verkannt wird. Die Debatte um die Einkommensverteilung ist allerdings stark ideologisch eingefärbt.  Doch es geht nicht nur um Einkommen, die aus einer stationären  Konsumgüterfertigung (einschl. Erhaltungsinvestitionen) kommen, sondern auch um das Niveau der Konsumgüterfertigung, das von zusätzlichen – neu geschöpften - Krediten stammenden Geld für zusätzliche Investitionen bestimmt wird.  Zugleich aber erlaubt die aus diesem zusätzlichen Genld resultierende höhere monetäre Nachfrage nach den schon fertigen Konsumgütern nun aber auch Preise, die über den Gestehungskosten liegen und damit Gewinn und Zinsen möglich machen.

Die Kredit- und Geldschöpfung ist damit nicht nur Voraussetzung für das überproportionale Akkumulation von Geldvermögen, sondern auch von Realvermöge.  Dies allerdings nur, wenn diese zusätzlichen Investitionen in die Realwirtschaft fließen, nicht aber in die Finanzwirtschaft.

Ernst Dorfner
28.12.2010

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